Übersicht & Geschichte

Der Kanonenbahnradweg führt auf etwa 32 Kilometern von der Thüringischen Kleinstadt Dingelstädt entlang der ehemaligen Bahnstrecke Leinefelde-Eschwege, durch die sanfte Hügellandschaft des Eichsfelds, bis in den hessischen Ort Frieda im Werratal. Wir starten unsere Radtour in Dingelstädt, idyllisch gelegen am Oberlauf der Unstrut. Hier besteht ein direkter Anschluss an den Unstrut-Radweg, die Quelle der Unstrut und der Beginn des gleichnamigen Radwanderwegs befinden sich nur wenige Kilometer entfernt.

Die Eisenbahnverbindung von Berlin über Koblenz bis nach Metz in Elsass-Lothringen wurde nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 als strategische Verbindung zu militärischen Zwecken geplant. Die 1880 fertiggestellte Strecke wurde im Volksmund als Kanonenbahn bekannt. Sie war ursprünglich zweigleisig angelegt, wurde aber nach Ende des ersten Weltkriegs auf eingleisig zurück gebaut. Der Personenverkehr wurde Stück für Stück immer weiter zurück geschraubt, und schließlich in den 1990er Jahren komplett eingestellt. Heute kann ein Teil der Strecke mit Draisinen befahren werden und im Jahr 2019 wurde der durchgehend asphaltierte Radweg eröffnet.

Streckenverlauf

Der Kanonenbahnradweg beginnt im Norden der Stadt mit einer neu asphaltierten Fahrradspur, die direkt neben dem noch vorhandenen Gleisbett verläuft. Dank einer einheitlichen Beschilderung mit Symbol und Beschriftung lässt sich der Radweg ohne Karte oder Navigation entspannt fahren. Weit entfernt von motorisiertem Straßenverkehr führt die abwechslungsreiche Strecke durch fünf Tunnel, über Viadukte und an alten Signalanlagen vorbei. Mehrmals ist ein Wechsel auf die andere Seite der Bahnschienen vorgesehen und entsprechend gekennzeichnet. Unterwegs laden viele, meist überdachte Rastplätze zu einer Pause ein.

Ein Höhepunkt der Radroute ist mit Sicherheit der Küllstedter Tunnel, ein Eisenbahntunnel von 1530 m Länge, der ganzjährig geöffnet ist. Im Tunnel herrschen selbst im Hochsommer kühle Temperaturen von 8-10°C, es ist also hier sinnvoll, eine Jacke oder einen Pullover dabei zu haben. Im Inneren des Tunnels ist eine mit Bewegungsmeldern zu aktivierende Beleuchtung installiert und es befinden sich für den Fall der Fälle insgesamt vier Notruf-Säulen auf der Strecke. Der Kalkstein des Berges besitzt natürliche Wasservorkommnisse von sehr calciumcarbonatreichem Wasser. Mitten im Inneren des Berges treffen Reisende auf eine Wasserquelle. Ein außergewöhnliches Erlebnis, bei kühler Luft im Dunkeln unter der Erde entlang zu radeln! Mit der Fertigstellung des Bahntrassenradwegs löste der Kühlstedter Tunnel den Milseburgtunnel als längsten Fahrradtunnel Deutschlands ab.

Außer dem Küllstedter Tunnel gibt es noch vier weitere ehemalige Eisenbahntunnel zu befahren, die aber nur zwischen zwischen 150 und 350 m lang sind.

Eine besondere Freizeitaktivität auf der Bahnstrecke ist sicherlich die Fahrt mit einer Draisine. Die Strecke beginnt in Lengenfeld unterm Stein und führt bis zum Küllstedter Bahnhof. Es werden sowohl klassische Fahrrad-Draisinen als auch größere elektrisch betriebene Fahrzeuge zum Verleih angeboten.

An einer der zahlreichen Raststätten wurde sogar eine Grillmöglichkeit und eine Feuerstelle geschaffen.

Ein absolutes Highlight der Strecke ist das 244 m lange und 24 m hohe Lengenfelder Viadukt, ein Meisterstück der Eisenbahntechnik des 19. Jahrhunderts. Es überspannt in einem malerischen Bogen den Ort Lengenfeld unterm Stein. Leider darf das Viadukt aus Sicherheitsgründen lediglich mit der Draisine befahren, nicht aber mit dem Fahrrad oder zu Fuß überquert werden.

Nach einer kleinen Bergetappe erreichen wir den ehemaligen Bahnhof von Lengenfeld. Hier können die Draisinen ausgeliehen werden. Im Bahnhofsgebäude befinden sich ein Imbiss und Toiletten. An einem Automaten können Fahrradschläuche gekauft werden, eine passende Werkzeug- oder Pumpstation gibt es aber nicht. Ein Stempel für das Sammelheft „Touringen“ kann hier auch abgeholt werden.

Hinter Lengenfeld verlassen wir parallel zum Fluss Frieda nun endgültig die ehemalige Bahntrasse und plötzlich biegt der Weg auf eine Landstraße ab. Dieses etwa 200m lange Stück sollte aber das einzige auf einer Straße außerhalb einer Ortschaft bleiben.

In Geismar kommen wir an einer E-Ladestation und einem sehr unpraktisch aufgestellten Schild vorbei, dessen Richtungspfeil nicht vom Radweg aus zu sehen ist.

Entlang einer großen Landstraße geht es weiter nach Großtöpfer. Hier befindet sich an der Kirche eine weitere E-Ladestation sowie einer Bücher-Telefonzelle, die für Lesestoff während des Ladevorgangs sorgt.

Bald sind wir in Frieda, aber vorher fahren wir über die ehemalige innerdeutsche Grenze. Ein sogenannter Kolonnenweg erinnert an den alten Dienstweg von DDR-Grenztruppen. Die Betonplatten wurden deswegen erhalten und bilden das einzige nicht asphaltierte, aber trotzdem gut zu befahrende, recht kurze Stück der gesamten Route.

Die letzten Kilometer fahren wir weiter entlang der Frieda in den gleichnamigen Ort. Hier endet die Route sehr unspektakulär und ohne jegliche Information am Kirchplatz. Wer möchte, kann jetzt hier weiter dem Werratalradweg östlich in Richtung Treffurt und Gerstungen folgen oder westlich bis zur Mündung in die Weser bei Hann. Münden.

Bewertung

Wie schneidet der Kanonenbahnradweg in unserer Bewertung ab? Für die Gesamtbenotung haben wir sechs Kriterien definiert, welche wir beide unabhängig voneinander bewertet haben. Unsere Punkte haben wir dann addiert und daraus ein gewichtetes Mittel berechnet. So haben die Kriterien Landschaft, Routenführung und Oberfläche mehr Einfluss auf die Gesamtnote als Beschilderung, Familientauglichkeit und Infrastruktur.

Landschaftstechnisch haben wir es mit einer reizvollen, aber weniger spektakulären Tour ohne größere Sehenswürdigkeiten zu tun. Hauptsächlich fährt man zwischen Bäumen und nur auf Brücken kann man den Blick weit ins hügelige Gelände schweifen lassen. Die Fahrt zwischen Muschelkalkfelsen macht aber großen Spaß und in Lengenfeld unterm Stein beeindruckt das Eisenbahn-Viadukt. Wir vergeben vier von fünf Zelten.

Die Routenführung ist für einen Bahntrassenradweg erwartungsgemäß spitze. Auf fast der gesamten Strecke fährt man abseits des Autoverkehrs. Weder Ampeln noch Verkehrsschilder zwingen zum Anhalten. Die Eisenbahntunnel sind ein wahres Highlight. Ab Lengenfeld verliert der Weg an Qualität und leider kann hier nicht das Viadukt mit dem Rad überquert werden. Wir vergeben dennoch knappe 5 Zelte.

Die Oberfläche ist fast durchgehend asphaltiert. Nur in Lengenfeld mussten wir über eine Baustelle fahren, welche aber nicht mit in die Wertung einfließt. Insgesamt gesehen ist die ganze Strecke aber auch für das Rennrad geeignet. Volle Punktzahl.

Der Kanonenbahnradweg besitzt ein eigenes Symbol, welches an allen Radwegweisern zu finden ist. Verfahren kann man sich kaum, allerdings sind uns teilweise falsche Kilometerangaben aufgefallen. In Geismar ist ein Schild irreführend aufgestellt und in Frieda gibt es keine Informationen zum Routenende. Deswegen ziehen wir einen Punkt ab und vergeben 4 von 5 Zelte.

Wer mit seinen Kindern radeln möchte, findet hier eine sehr geeignete Strecke. Bis Lengenfeld können Kinder ohne Bedenken alleine auf der breiten, asphaltierten Strecke radeln. Bei Küllstedt steht ein Spielplatz bereit und unterwegs können mit etwas Glück Ziegen oder Pferde beobachtet werden. Die Fahrt durch die Tunnel wird jedem Kind Spaß machen. Aber auch hier müssen wir einen Punkt für das Stück durch Lengenfeld und bis Frieda abziehen. Die steilen Anstiege und die Fahrt auf Straßen sind nicht für alle Fahrradanfänger geeignet. Der gesamte Radweg ist aber breit genug für Kinder-Anhänger oder Lastenräder und uns sind keine Poller oder Schranken aufgefallen, die problematisch werden könnten. Insgesamt vergeben wir 4 von 5 Zelte.

Alle paar Kilometer gibt es einen schattigen Rastplatz mit teils tollen Ausblicken. Vor Lengenfeld befindet sich sogar ein großer Grillplatz. Hie und da sind Gasthöfe ausgeschildert, in denen auch übernachtet werden kann. Vergebens sucht man Wasserspender und öffentliche Toiletten haben wir nur einmal in Form von Dixi-Klos gesehen. Auf der Strecke befinden sich ein Schlauch-Automat und zwei E-Ladestationen. Dafür gibt es keine Möglichkeit zur Reparatur im Falle einer Panne. Leider sind sowohl Start als auch Ziel des Radweges nicht optimal an den Zugverkehr angebunden. Wir vergeben drei von fünf Zelte.

Mit diesen Bewertungen erreicht der Kanonenbahnradweg ein stolzes Gesamtergebnis von 4 Zelten. Mit einem gewichteten Mittel von 4,4 ist er knapp an einer Top-Bewertung vorbei geschrammt, aber wir sprechen eine klare Empfehlung aus. Wenn auch nur 33km lang, ist der Kanonenbahnradweg für alle Radfahrenden unabhängig von Alter und Fahrradtyp geeignet.

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